Briefinhalte 4 |
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Mit freundlicher Genehmigung von Hans Mewes - aus Solingen |
Weihnachten 1942 in Stalingrad. Vorbemerkung Mein Vater und meine Mutter hatten während des Krieges einen engen und regelmäßigen Brief-wechsel per Feldpost. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, daß meine Mutter öfter sagte:“So, jetzt wollen wir an den Papi schreiben“. Und dann führte sie mir die Hand und der 4-jährige war unendlich stolz darauf, daß er schon schreiben konnte. |
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Bis zum August 1939 gehörte das II. Btl. zum Inf.Rgt. 12 der 31. Inf.Div. und war in Quedlinburg stationiert. Es kam dann Ende August 1939 im Zuge von
Heeresvermehrungen zum Inf.Rgt. 211 der neu aufgestellten 71. Inf.Div. Sie galt als eine Niedersächsische Division und wurde später „Die glückhafte Division“ genannt, weil sie im Frankreich-Feldzug die Festung Verdun
eingenommen hatte. Ihr taktisches Zeichen war das vierblättrige Kleeblatt mit den gekreuzten Pferdeköpfen. |
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Meine liebe Ruth und liebes Mäusel! Christian Pfannkuchen Meine liebe Ruth und liebes Mäusel! Walter Mewes Lieber Otto! Christian Pfannkuchen Lieber Otto! |
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Walter Mewes Lieber Otto! Fritz Schmelz ..Wenn Postverkehr jetzt nicht klappt, hat das seinen besonderen Grund. Näheres kann ich darüber nicht schreiben. Es geht uns allen aber ausgezeichnet. Die Lage ist
ernst, aber keineswegs hoffnungslos. Wir sind nach wie vor in unserer alten Stellung und halten sie, koste es was es wolle. Fritz Schmelz ...Fritz Schmelz ...Wir haben gestern mal wieder einen ganzen Sack Post fürs ganze Regiment bekommen, aber leider war für mich nichts dabei. Na, auch der Zustand wird bald
vorübergehen. ... Fritz Schmelz Walter Mewes Liebe Eltern und Geschwister! Fritz Schmelz ... Seit einigen Tagen ist es auch bei uns richtig Winter geworden. Es liegt etwa 5 – 8 cm Schnee, leicht bewölkt und mit dem Frost ist es sehr
unterschiedlich. Gestern hatten wir beispielsweise minus 16°, vorgestern fast kaum Kältegrade, heute etwa minus 5°. Manchmal ändert sich das Wetter sogar an einem Tag. ... So halten wir auch weiter wacker die Wacht am
Schicksalsstrom. Fritz Schmelz ...... Ringsum Geschützdonner, damit ja immer an den Krieg erinnert wird. Alles in allem lässt es sich aber noch aushalten, zumal wir jetzt jeden Tag damit rechnen,
daß sich die Lage hier günstig gestalten wird und eines Tages von unserem Kampfabschnitt ein großer Sieg durch den Rundfunk gemeldet werden kann. Der Russe scheint ja auf der ganzen Linie zu großen Aktionen angetreten zu sein.
Sogar im Abschnitt Mitte (Rshew), wo den ganzen Sommer über Ruhe war, sind wieder die heftigsten Kämpfe im Gange. Man kann es bald nicht mehr fassen, wo der Bursche das Material herbekommt, verliert er doch fast täglich 100 und
mehr Panzer. Aber letzten Endes muß ja auch das mal ein Ende nehmen und man hat weiß Gott manchmal das Gefühl, daß das nicht mehr fern sein könnte. ... Fritz Schmelz |
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Wünsche für das neue Jahr möchte ich nicht versäumen Euch zu senden. Hoffentlich habt Ihr das Glück gehabt, daß Euer Papi zum Fest bei Euch war, das wäre dann sicher
die schönste Freude ge-wesen. Ich bin in diesem Jahr weit weg von der Familie, aber meine Gedanken sind doch ganz zu Haus. Christian Pfannkuchen |
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Nun will ich für heute schließen, in der Hoffnung, daß Ihr alle noch gesund und munter seid, verbleibe ich mit den besten Wünschen für das neue Jahr und für alle
Zeit Euer aller Walter. Fritz Schmelz ...Leider ist über die Weihnachtstage keine Post herangekommen. Nun solltest Du, ... aber nach-folgend einen Bericht erhalten, wie ich die Weihnachtstage verbracht habe. Vorweg kann ich nur sagen, einzigartig und wenn mich für die Zukunft der Herrgott gesund erhält wird es für später mal ein großes Erlebnis bleiben. Die Stimmung, die Natur mit Schnee, Eis und Kälte und eine frostklare Mondscheinnacht mit etwa 15 – 20° Kälte. So startete ich mit Dunkelwerden zu-sammen mit meinem Zahlmeister Kaufhold um 14.30 Uhr ab hier zu meinem linken Kampfab-schnitt. Dort erwartete mich der linke Kompanieführer und kurz vor 15 Uhr betraten wir den ersten Bunker. Immer waren etwa 7 – 10 Mann zusammen, der Rest auf Posten. Im wahrsten Sinne des Wortes: „Es steht ein Soldat ...“ Ausgegeben war schon eine kleine einfache Weihnachtsstolle und Bohnenkaffee. Jeder Bunker hat ein festliches Gepräge durch Fichten-grün, teilweise Bäumchen, meist aber Adventskränze und überall Kerzenlicht. Das wichtigste aber die strahlenden Augen meiner Männer, die jetzt alle wissen, worauf es ankommt und sich des Ernstes der Lage bewußt sind. Überall habe ich mich 10 – 15 Minuten persönlich mit ihnen unterhalten, nach der Landsmannschaft gefragt, auf unsere augenblickliche Lage zu sprechen gekommen, mit ihnen zusammen einen Schluck Kaffee getrunken und Stückchen Stolle probiert. Alle waren zufrieden und glaubten auch gar nicht daran, daß aufgrund unserer Lage mehr geboten werden könnte. Als wir dann doch mit einem Paket zu Vorschein kamen, worin für jeden: 1 Paket Tabak mit Blättchen zum Drehen, 30 Zigaretten, eine Zigarre, 1 Zigarillo, 1 ¼ Tafel Schokolade, etwas Briefpapier oder etwas Zahnpasta, Hautcreme, Einlegesohlen, Rasierklingen, 1 Fl. Likör usw. waren, na, da hättet Ihr die Augen sehen sollen. Für später wird es wirklich mal ein bleibendes Erlebnis sein. Manchmal wurde auch gerade ein Weihnachtslied gesungen. Alles die rauen Landserstimmen. Dann verhielt ich erst draußen und mich sowie meinen Begleitern überkam doch ein eigenartiges Gefühl und sofort waren die Gedanken bei Euch daheim. Man kann es wirklich mit Worten gar nicht schildern. So ging es von Unterstand zu Unterstand. Der Gefechtslärm war in der „Heiligen Nacht“ nicht stärker als sonst, ab und an ein Schuß, über uns die gewohnten nächtlichen Flieger, sonst ein prächtiges Stimmungsbild, alles glitzerte im Mondschein, eine einzigartige „Heilige Nacht“ am W....strand, viele, viele Kilometer fern der Heimat. So ging es von Unterstand zu Unterstand gegen 20 Uhr dann zu meinem Batl.-Stab, der ja zusammen feiern konnte, von meinem Adjutanten (Anm.: Leutnant Richard Krey) sehr nett aufgezogen. ... Überall habe ich zu meinen Männern Worte gesprochen und etwas gegessen und getrunken. Wenn ich nicht überall so beeindruckt gewesen wäre und die strahlenden Augen
gesehen hätte, hätte ich wohl kaum durchgehalten. Es war war weiß Gott ein Kraftakt. Wohl 30 – 35 Unter-stände habe ich aufsuchen müssen. Um |
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Die Fotos auf der Seite Fp-Ämter zeigen einen Teil der zurückgehaltenen Feldpost bei der Feldpostleitstelle der 6. Armee in Awdejewski im Januar 1943. Es hatte sich dabei ein Stau von über 100.000 Postsäcken angesammelt. Man muß sich das vorstellen: pro 2 – 3 Soldaten im Kessel ein Postsack! Und die Soldaten in Stalingrad haben sehnsüchtig auf jeden Brief, jeden Gruß und auf jedes Päckchen gewartet. Mein Vater, Feldwebel Walter Mewes,
geboren am 7. 1. 1914 in Oschersleben, gilt seit dem 7. 1. 1943, seinem 29. Geburtstag, als vermisst. Sein letztes Lebenszeichen war ein Brief vom gleichen Tag. Wir haben danach nie wieder etwas von ihm gehört. Die
Vermisstennachricht erhielt meine Mutter am Hochzeitstag. Hauptmann Fritz Schmelz, geboren am 30. 6. 1911 in Wuppertal-Barmen, geriet nach einem
Ausbruchsversuch aus dem Kessel gemeinsam mit Krey, Dr. Rox und Kaufhold am 2. oder 3. Februar 1943 in russische Gefangenschaft. Er ist am 29. 3. 1943 im Kriegsgefangenenlager Frolowo gestorben. Feldwebel Gerhard Strangfeld, geboren am 2. 4. 1914 in Wernigerode, wird seit 1. 1. 1943 in
Stalingrad vermisst. Feldwebel Heinrich Pröpper, geboren am 25. 7. 1914 in Neheim-Hüsten, gilt als vermisst seit dem
1. 1. 1943. Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes hat mitgeteilt, dass Meldungen von russischer Seite vorliegen, wonach er im Gefangenenlager Beketowka südlich von Stalingrad verstorben ist. Das war vermutlich im März oder
April 1943. Zahlmeister Herbert Kaufhold geboren am 24. 4. 1910 in Oschersleben, war nach einer Erkrankung
mit Lazarett-Aufenthalt noch Anfang Dezember in den Kessel eingeflogen worden. Er geriet ebenfalls in russische Gefangenschaft. Seine Spur verliert sich im Mai 1943. Er ist in russischer Kriegsgefangenschaft
verstorben. Auch Leutnant Richard Krey, geboren am
27. 6. 1921 in Rheine, geriet in russische Gefangen-schaft und starb am 13. 3. 1943 im Kriegsgefangenenlager Frolowo. Oberarzt Dr.Josef Rox, geboren am 20. 9. 1911 in Daseburg, im damaligen Kreis Warburg, ist
ebenfalls in russische Gefangenschaft geraten, kehrte aber im Januar 1950 daraus zurück. Er war der einzige Überlebende der Ausbruchsgruppe und konnte über die Schicksale von Schmelz, Kaufhold und Krey berichten. Musikmeister (Leutnant) Hermann Wismer erkrankte vor Stalingrad und kam in ein Lazarett. Er ist aus dem Krieg zurückgekehrt. Oberfeldwebel Hermann Baumgarten, geboren am 15. 1. 1916 in Kassel, ist seit dem 1. 1. 1943
vermisst. Feldwebel Lothar Münchow, geboren am 21. 7. 1916 in Schierke/Harz, gilt seit dem 2. 1. 1943
ebenfalls als vermisst. Oberfeldwebel Richard Schieck, der in Charkow verblieben war, kehrte aus dem Krieg zurück. Von den Angehörigen des Musikkorps, die in der Namensliste vom 27. 6. 1940 aufgeführt waren, sind, wie erwähnt, einige vorher kommandiert worden. Andere, wie
Ernst Pfannkuchen, Helmut Kreikemeier, Heinz Pöhlitz, Gilbert Haney und Fritz Tischer erkrankten an Gelbsucht und sind in Heimatlazarette gekommen. Sie haben den Krieg überlebt. Alle übrigen, die nicht in den Briefen erwähnt worden sind, werden nach Auskunft der Deutschen Dienststelle in Berlin in Stalingrad vermisst (z.T. ohne Angaben des
Ver-mißtendatums). Das sind: Feldwebel Gustav (Mucki) Klinder, geboren am 25. 11. 1912 in Pabsdorf, vermisst seit 27. 12.
1942. Von Feldwebel Wilhelm Kober, geboren am
16. 4. 1908 in Quedlinburg, gibt es kein genaues Vermißtendatum. Peter Kober, ohne weiteren Angaben. Unterfeldwebel Otto Neumann, geboren am 12. 12. 1913 in Stendal, wird vermisst seit dem 1. 1.
1943. Walter Winzer, ohne Dienstgradangabe, geboren am 30. 12. 1916 in Hohenroda, Kr. Delitzsch, wird vermisst seit 7. 1. 1943. Unterfeldwebel Bruno Jähme, geboren am 26. 4. 1919 in Bad Suderode, Kr. Quedlinburg, war
vermisst gemeldet seit 1. 1. 1943. Er ist aber 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt und 1994 verstorben. Hellmut Sauerbrey, ohne Dienstgradangabe, geboren am 30. 10. 1914 in Werder/Havel, ohne genaues
Vermisstendatum. Unteroffizier Heinrich Segner, geboren am 2. 11. 1919 in Wertheim/Main, wird vermisst seit dem
2. 1. 1943. Unteroffizier Theodor Seemann, geboren am 10. 6. 1918 in Oberrosenthal/Sudetenland, ver-misst
seit 29. 12. 1942. Auch über ihn hat der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes mitge-teilt, dass er aufgrund von Angaben von russischer Seite, wie Heinrich Pröpper, im Ge-fangenenlager Beketowka verstorben ist. Von Unteroffizier Werner Donisch, geboren
am 19. 4. 1915 in Berlin, ist bekannt, daß er am 9. 4. 1943 im Kriegsgefangenenlager Wolsk/Wolga verstorben ist. Feldwebel Oskar Greuel, geboren am 1. 1. 1914 in Roman/Pommern. Von ihm ist kein genaues
Vermisstendatum bekannt Unteroffizier Emil Bürger, geboren am 15. 5. 1907 in Slawianowo/Westpr., vermisst seit 1. 1. 1943.
Obergefreiter Karl Brumby, geboren am 24. 4. 1913 in Gerlebogk, Kr. Köthen, vermisst seit 31.
12. 1943. Obergefreiter Günter Hering, geboren am 21. 8. 1914 in Rogasen/Posen, gilt seit dem 1. 12. 1942
als vermisst. Unteroffizier Kurt Reppin, geboren am 22. 1. 1920 in Biederitz, vermisst seit 3. 1. 1943. |
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In allen mir bis heute bekannten Vermisstenmeldungen ist das Vermisstendatum handschriftlich eingesetzt worden. Das ist in dem Buch von Horst Zank „Stalingrad
– Kessel und Gefan-genschaft“ auch abgebildet. Der letzte Brief meines Vaters war vom 7. 1. 1943. Und das gilt auch als sein Vermisstendatum laut der offiziellen Benachrichtigung. Weil ich das auch von In-grid
Hartmetz (geb. Pfannkuchen), Irmgard Schmelz, Heinrich Pröpper und Peter Hinrichsen weiß, kann man daraus schlussfolgern, dass das Datum der letzten Nachricht, die man von den Angehörigen vorher erfragte, von den deutschen
Dienststellen nachträglich als das Ver-misstendatum angegeben worden ist. Um sie alle sind in den langen Jahren der Ungewißheit viele Tränen geweint worden von ihren Frauen, Kindern, Bräuten, Müttern, Vätern, Brüdern, Schwestern, Angehörigen, Freunden und Kameraden. Und auch nach 60 Jahren hat noch kaum einer von ihnen ein würdiges Grab gefunden, einen Platz, an dem man seiner gedenken kann. Von einigen von ihnen stehen die Namen auf den Tafeln an der Gedenkstätte in Rossoschka im ehemaligen Kessel von Stalingrad. Aber als Trost steht da auch: VIELE BLEIBEN UNBEKANNT GOTT KENNT IHRE NAMEN. |