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STALINGRAD
Michael Deiml
geb. 28.03.1918
Auerbach/Oberpfalz
Meine Stalingradeinsätze
Nach meiner Ausbildung vom Dezember 1939 bis März 1940 bei der Großen Kampffliegerschule 4 in Thor / Westpreußen und Ergänzungskampfgruppe 3 in Krakau zum
Bordschützen und dann zum Bordmechaniker, war ich vom 1.April 1940 bis 30. September 1944 beim Kampfgeschwader 55, Greifengeschwader,
mit meiner 1. Besatzung:
- Flugzeugführer Leutnant Müller
- Beobachter Oberfeldwebel Rüggebrecht
- Funker Feldwebel ?
- Bordmechaniker Gefreiter Deiml
- Bordschütze Gefreiter Bauer
flog ich 20 Einsätze gegen Frankreich und 9 Einsätze gegen England. Diese Besatzung wurde im Frühjahr 1941
beim Einsatz gegen England von englischen Jägern (Jagdfliegern) tödlich abgeschossen, wobei sie in das Meer "Ärmelkanal", stürzte. Da
ich zu dieser Zeit wegen Mittelohreiterung im Luftwaffenlazarett München / Oberföhring stationär lag, wurde ich durch den Feldwebel Simon vertreten, der somit
für mich starb. Nach meiner Genesung bei der Genesenenkompanie der Kampffliegersammelgruppe Quedlinburg kam ich am 1.Oktober 1941 wiederum zum Kampfgeschwader 55, zum Einsatz nach Rußland. Hier kam ich zur
3.Gruppe, 7.Staffel und bekam eine neue Besatzung
(meine 2.Besatzung):
- Flugzeugführer Oberfeldwebel Dietrich
- Beobachter Feldwebel Zantke
- Funker Unteroffizier Biermann
- Bordmechaniker Unteroffizier Deiml
- Bordschütze Unteroffizier Kummer
Mit dieser, meiner 2. Besatzung, begann ich dann am 7. Oktober 1941 vom Flugplatz Kirowograd aus meine Rußlandeinsätze; ab meinem nunmehr 30. Feindflug.
Wegen meiner sehr vielen Fronteinsätze, es waren 387 Feindflüge, ist es mir nicht mehr möglich die einzelnen zu kommentieren. Da aber der Kampf um Stalingrad eine der größten Schlachten des 20.Jahrhunderts,eine
vernichtende Niederlage Deutschlands gegen die Sowjetunion unter den schlimmsten Strapazen für die deutschen Soldaten, u.a. Verhungern und Erfrieren war, will ich doch meine Teilnahme als Flieger an diesem
etwas erläutern:
Zuletzt nach den Kaukasus und anderen Einsätzen ums Schwarze Meer begannen für mich die Kampfeinsätze im Raum Stalingrad mit meinem 139. Feindflug. Am
21.8.1942 flogen wir gleich 2 Angriffe um 6,30 Uhr und 13,40 Uhr ab Flugplatz Kramatorskaja in den Raum westlich Stalingrad mit Angriff auf russische Truppen. Nach täglich mehreren Einsätzen
verlegten wir am 23.8.1942 zum Flugplatz Morosowskaja. Am 24.8.1942 begannen die konzentrierten Bombenangriffe auf Stalingrad. Wir (meine Besatzung) flogen um 6,30 , 11,30 und 15,15 Uhr ab Flugplatz Morosowskaja 3
Einsätze im Hochangriff auf Stalingrad u.a. auf den Bahnhof. Wie des öfteren hatten wir starke Flakabwehr zu spüren. So flog ich mit meiner Besatzung (Dietrich) bis 3.10.1942 fast täglich von den Flugplätzen Kramatorskaja, Morosowskaja und Tazinskaja Einsätze in den Raum Stalingrad mit Stadtgebiet. Es waren somit vom 21.8.1942 bis 3.10.1942 (6 Wochen) 58 Feindflüge, wobei
wir je Einsatz 2 bis 41/2 Stunden in der Luft waren. Unser Auftrag war „Bombenabwurf über den Zielgebieten°. In der dortigen Kalmückensteppe gab es viele Schluchten. Eine besonders große; wir nannten sie „ „
Gratschital ", nordwestlich Stalingrads, mußten wir wiederholt angreifen, sowohl zur Truppenbekämpfung als auch deren Bereitstellungen und Nachschubbasis. Im Gratschital waren die Russen sehr stark vertreten.
Zur Unterstützung unserer Bodentruppen waren wir sehr oft zur Bekämpfung russischer Truppen eingesetzt; in der Regel Einsätze bei Tag. Unsere Einsätze auf Ziele im Stadtgebiet, auf Bahnhöfe, Industrieanlagen und
Flugplätze, östlich der Wolga griffen wir sowohl bei Tag als auch bei Nacht an. Wiederholt wurden wir von der Flak und den Jagdfliegern beschossen, wobei wir mehrfach Treffer im Flugzeug abbekamen. Zum Glück
wurde bei diesen Einsätzen kein Besatzungsmitglied getroffen.
Erwähnen möchte ich noch den letzten Feindflug mit meiner zweiten Besatzung (Dietrich); es war mein 196. Feindflug: Vom Flugplatz Kramatorkaja starteten wir mit unserem Flugzeug He 111, Zulassungs-Nr. G1+BD (so auch die Beschriftung) am 2.10.1942 um 20.45 Uhr. Gegen 23 Uhr erfolgte unser
Nachtangriff auf Flugplätze östlich Stalingrads, jenseits der Wolga. Bei gegen uns gerichteten Scheinwerfern wurden wir von der Flak beschossen; jedoch nicht getroffen. Durch Ausfall unserer FTAnlage; Funkempfänger
„kurz" und „lang" , hatten wir keine Standortbestimmung. Unsere Bodenstelle hat uns aber gehört, da unsere beiden Sender noch funktionierten. Wie wir dort später erfuhren, flogen wir nah an unserem
Einsatzflugplatz vorbei. Orientierungslos flogen wir nun in der Nacht dahin. U.a. kamen wir dann zum Entschluß Richtung Süden zu fliegen um das Asowsche Meer (nordöstlicher Teil des Schwarzen Meeres ) zu erreichen,
da man bei Nacht auch Wasser und Land unterscheiden kann und sich dann am Küstenverlauf orientieren könne. Da wir aber nicht wußten wo wir uns befinden, waren wir auch besorgt auf russisch besetztes Gebiet zu
kommen. So rief der Beobachter, Leutnant Winkler, dem Flugzeugführer, Ofw. Dietrich, mehrmals zu: "Willi, flieg nach Westen, wir kommen sonst zum Iwan". Der Russe war damals allgemein gefürchtet. Nach hin
und her hielten wir aber trotzdem Kurs nach Süden, denn der Benzin wurde immer knapper und an der Küste konnten wir uns doch orientieren. Gegen 4,30 Uhr erreichten wir die Küste des Asowschen Meeres. Als wir uns bei
noch sehr düsterem Morgengrauen zurechtfanden, konnten wir die nächstgelegenen Flugplätze Nikolajew und Mariapol wegen Treibstoffmangel nicht mehr anfliegen. So mußten wir wegen Benzinmangel umgehend notlanden; und
zwar eine Bauchlandung auf einem Acker 15 Km nordöstlich Berdiansk. Bei einer Radlandung , wie vorgesehen (das Fahrwerk hatten wir schon ausgefahren, zogen es dann wieder ein zur Bauchlandung) wären wir bei 150 kmlh
Landegeschwindigkeit in eine tiefer gelegene und von oben nicht sichtbar gewesene Feldstraße gerast, was ein Oberschlagen des Flugzeuges und entsprechend weiterer Folgen unser Tod gewesen wäre. Zu Fuß ging es dann
etappenweise zurück zu unserem Einsatzflugplatz, wo wir nach einigen Tagen ankamen.
Im Oktober 1942 kam der Flugzeugführer Ofw. Dietrich als Fluglehrer zur 4. Gruppe (Ersatzgruppe des KG 55) und diese
meine 2. Besatzung wurde aufgelöst.
Wir, die weiteren Besatzungsmitglieder, kamen zu anderen Besatzungen, da es immer wieder zu Verlusten einzelner Besatzungsmitglieder kam. Zunächst ohne Besatzung und dann nach einem Urlaub kam ich im Dezember 1942 zu meiner Staffel nach Rußland zurück. Unsere Einsatzgruppe war nun auf dem Flugplatz Nowotscherkask. Als Aushilfe bei der Besatzung Uffz. Püschel flog ich am 8.1.1943 einen Angriff im Tiefstflug auf Truppen am südlichen Don östlich Nowotscherkask.
Nun kam ich zur
Besatzung Uffz. Adrian. Dies war nun meine 3. Besatzung. Da seit 22.November 1942
unsere Truppen eingekesselt waren, flogen wir nur noch Versorgungseinsätze; Abwurf von Verpflegungsbomben u.a. auch von Brotsäcken und bei Landungen im Kessel Herausholen von Verwundeten u.a. auch einen Kriegsberichterstatter und eine abgeschossene Flugzeugbesatzung. Am
12.1.1943
flog ich mit meiner 3.Besatzung (Adrian) den 1.Einsatz, was zugleich mein 198. Feindflug war. Mit der He 111, Zul.Nr. G1+DS starteten wir um 7.45 Uhr in Nowotscherkask und landeten um 9,55 Uhr auf dem Flugplatz Pitomnik im Stalingradkessel. Dort befanden sich verwundete deutsche Soldaten in Massen. Außerdem waren dort Leute der Organisation Todt , fast alle etwas ältere
Kameraden. Sie waren leicht bekleidet mit olivgrüner Uniform. Gefragt, warum auch sie im Kessel mit eingeschlossen wurden, erklärten sie, daß sie auf der Straße von Kalatsch nach Stalingrad tätig waren
(Nachschubstraße instandhalten). Sie halfen uns beim Ausladen der Versorgungsgüter. Nachdem wir einen Obergefreiten einer Heereseinheit dort absetzten (er hatte bestimmte Ersatzteile für Geräte seiner Einheit aus
Deutschland zu holen und flog damit mit uns in den Kessel), begannen wir mit dem Entladen. Nach dem Abladen der Verpflegungsbomben entnahmen wir etwa 20 Säcke voller Brotlaibe aus dem Flugzeug und gaben sie dort ab.
Nachdem wir 8 verwundete Soldaten und einen Kriegsberichterstatter aufgenommen hatten, rollten wir zur Startbahn. Obwohl unser Flugzeug beim Hinflug durch schweren Flakbeschuß , sehr beschädigt wurde; das Leitwerk
und der hintere Teil des Flugzeuges war mit etwa 50 Flakgeschoßsplittem durchsiebt, war es noch flugtauglich. Da unser Flugzeug kein Transportsondern ein Kampfflugzeug war, mit Bombenschächten, Zusatztanks usw. im
Innenraum , konnten wir nur 8 Soldaten aufnehmen. Um 10.50 Uhr starteten wir mit den Aufgenommenen in Pitomnik und landeten um 12.10 Uhr in Nowotscherkask.
Nachdem Pitomnik am 15.1.1943 von den Russen eingenommen war, stand uns der Flugplatz Gumrak zur Verfügung. Da wegen der sehr schlechten
Platzverhältnisse (Granateneinschläge, umherliegende Fahrzeug und Waffenteile usw.) die Landungen mit großen Gefahren verbunden waren, konnten nur noch Einzelne je unter großen Schwierigkeiten landen. Die
eingesetzten Fliegergeschwader bekamen nun vom FührerSonderbeauftragten, Generalfeldmarschall Milch, den Befehl es muß gelandet werden". Durch laufende Verluste war unsere Kampfgruppe , 3. KG 55, geschwächt von
27 auf 12 Besatzungen.
Zum Einsatz am 18.1.1943 mit dem vorgen. Befehl .,Landung Gumrak" waren von den 12 Besatzungen nur
3 einsatzklar. Die restlichen vielen aus durch beschädigte Flugzeuge, Kranke usw.
- Mit einem KleinLKW wurden wir 3 Besatzungen von der Unterkunft zum Flugplatz gefahren. Es herrschte eisige Kälte, tiefer als 20 Grad minus; in der Höhe kälter als
minus 40 Grad. Auf der Lastwagenfahrt sagte noch Ofw. Lochner Johann aus Bad Berneck zu uns, daß er bei diesem Einsatz ein ungutes Gefühl habe. Am Flugplatz angekommen wurden gerade die Motore unserer
Einsatzflugzeuge vom Bodenpersonal mit den Warmluftgeräten angewärmt. Nachdem der 1.Wart die Motore abgebremst und das Flugzeug startklar gemeldet hatte, stiegen wir ein und rollten zur Startbahn.
Wir starteten mit unserer He 111, Z.Nr. G1+AR am 18.1.1943 um 20.40 Uhr auf dem Flugplatz Nowotscherkask und kehrten nach dem Einsatz um 23.35 Uhr
wieder zurück.
Etwa gegen 22 Uhr setzten wir auf dem Flugplatz Gumrak zur Landung an. Wir konnten aber nicht landen, sondern mußten durchstarten da Hindernisse auf der
Landebahn waren. Diesen Vorgang haben wir etwa 8 bis 10 mal wiederholt, wobei wir immer wieder das Fahrwerk ein und ausfahren mußten. Da aber die Hindernisse nicht beseitigt wurden; an der 3. Lampe des Landepfades
stand ein Flugzeug (vermutlich ein beschädigtes) und wich nicht von der Stelle, konnten wir trotz Befehl nicht landen, da wir sonst in das gen. Flugzeug gerast wären. Wir warfen dann dort unsere Verpflegungsbomben
ab, öffneten die Einstiegsklappe der Bodenwanne und warfen bei eisigem Luftzug über der Bodenwanne stehend unsere mitgeführten 20 Brotsäcke ab. In der Nähe fliegende russische Jäger wurden uns nicht zur Gefahr. Der
Besatzung Danz ging es genau so wie uns. so daß auch sie nicht landen konnte. Die Besatzung Leipold kehrte von diesem Feindflug nicht zurück und ist seitdem vermißt. Ob sie von den russischen Jägern, die wir
wahrgenommen hatten, abgeschossen wurde oder landete, ist uns nicht bekannt. Ähnliche Hindernisse waren dort bei unserem nächsten Einsatz am 20.1.1943. Ebenfalls ein Nachteinsatz. Wir starteten mit der He
111, Z.Nr. G1+ZR um 01,30 Uhr in Nowotscherkask und flogen etwa 1 ½ Stunden über dem Flugplatz Gumrak und rundherum ohne landen zu können. Wiederum warfen wir die Verpflegung ab und landeten nach knapp 4'/
Stunden Flugzeit um 05.55 Uhr in Nowotscherkask. Da wir entgegen dem Befehl nicht gelandet sind, erstatteten wir einen schriftlichen Bericht, worauf wir jedoch keine Antwort bekamen.
Bemerken möchte ich, daß wir bei einem Tageinsatz dorthin bei Übersicht über den gesamten Flugplatz sicherlich eine Landemöglichkeit gefunden hätten. Wir
wurden aber in Gumrak nicht bei Tag eingesetzt.
Ferner möchte ich bemerken, daß ich als einziger von den 3 vorgen. Besatzungen den Krieg überlebte. Die Besatzung Leipold ist seit 19.1.1943 verschollen;
die Besatzung Danz ist am 10.8.1943 tödlich abgestürzt und gefallen. Meine Besatzung, Adrian, wurde am 5.3.1943
(1 Monat nach der Kapitulation von Stalingrad) beim Dorf Marefa , Nähe Charkow , von russischen Jägern tödlich abgeschossen; Aufschlagbrand. Wegen
Krankheit war ich bei diesem Einsatz nicht dabei und wurde vertreten von Ofw. Fritz Ramsberger, der somit für mich starb. Nachdem Pitomnik verloren war ,flogen wir vom 17.1. bis 21.1.1943 10 Einsätze , sowohl bei
Tag als auch bei Nacht ,mit Abwurf von Verpflegungsbomben und auch Angriffe auf russische Truppen und deren Waffen und Artilleriestellungen; u.a. auch in der Nähe unseres Flugplatzes Nowotscherkask
und östlich Rostow am Don. Der letzte Flugplatz „Gumrak" (etwa 10 km westlich von Stalingrad) ging am 21.1.43 verloren. Nun konnte nur noch auf dem Notflugplatz „Stalingradski“
gelandet werden, der noch näher an der Stadtgrenze errichtet worden war. Diese Möglichkeit bestand nur am 22.1.; und am 23.1.1943 nur noch zum Teil. Stalingradski wurde am 23.1. von den Russen eingenommen.
Am 22.1.43 um 9.05 Uhr starteten wir in Nowotscherkask mit unserer He 111, Z.Nr. G1+CR, und landeten um 10.45 Uhr auf dem Notflugplatz
Stalingradski (bei uns damals genannt „Stalingradskaja" und so auch in das Flugbuch eingetragen.). Rückflug: Start in Stalingradski um 11.25 Uhr und Landung in Nowotscherkask um 12.55 Uhr.
Am 23.1.43 um 7.25 Uhr starteten wir in Nowotscherkask mit dem gleichen Flugzeug und landeten um 9.20 Uhr in Stalingradski.
Rückflug:
Start in Stalingradski um 10.45 Uhr und Landung in Nowotscherkask um 12.20 Uhr.
In Stalingradski angekommen hatten wir einen sehr traurigen Anblick. Bei den eisigen Temperaturen, minus 30 Grad und tiefer, trafen wir unsere Soldaten mit
nur leicht bekleideter Uniform, ausgehungert, zusammengefroren und fast regungslos an. Von den vielen anwesenden Verwundeten konnten leider nur einige mitgenommen und ausgeflogen werden. Beim Abnehmen der
Verpflegungsbomben und Ausladen der Brotsäcke am 22.1. sagte ein dort noch etwas tätiger Hauptmann der Flak zu mir, daß er der letzten Maschine (Flugzeug) sein Testament mitgebe, das er in seiner Manteltasche bei
sich hatte. Nach unserer Landung am folgenden und letzten Tag, 23.1.43, war der Hauptmann nicht mehr zu sehen. Am 22.1.43 mußten wir außer den Verwundeten eine Flugzeugbesatzung (5Mann), die im Kessel abgeschossen
worden war, beim Rückflug mitnehmen. Während des Aufenthalts auf dem Flugplatz mußten wegen der eisigen Kälte die Motore mit den rotierenden Propellern eingeschaltet und in Betrieb belassen werden, da keine
Warmluftgeräte zum Anwärmen von erkalteten Motoren vorhanden waren. Außer der Verpflegung entnahmen wir auch noch Benzin aus einem unserer Tanks für die Fahrzeuge am Flugplatz, die keinen Kraftstoff mehr hatten. Am
23.1.43 fielen beim Ausladen der Brotsäcke plötzlich rundum Schüsse von russischen Schlachtfliegern. Ich sprang sofort in das Flugzeug und schoß mit einem Maschinengewehr, MG 15, auf die angreifenden Flugzeuge. Zum
Glück wurde weder unser Flugzeug noch wir Besatzungsmitglieder oder die um uns anwesenden Verwundeten verletzt. Ein zweiter Angriff der Russen während unserer Anwesenheit erfolgte nicht . In Eile luden wir weiter
unsere Brotsäcke aus. Plötzlich hörten wir einen dumpfen Schlagund mit Blick dorthin mußten wir sehen, wie ein Soldat ohne Kopf neben dem rotierenden Propeller am linken Motor unseres Flugzeuges umfiel. Von den
Kopfresten war nur noch Blut am linken Fahrwerk zu sehen. Von 2 Feldgendarmen wurde der Tote weggebracht und identifiziert. Trotz der Aufregung für uns alle mußten wir schnellstens den Rest abladen, da mit erneutem
Fliegerangriff der Russen zu rechnen war. Nun rollten wir mit 8 Verwundeten zur Startbahn. Sehr viele Verwundete, auch die wir schon am Tag vorher gesehen hatten, mußten leider im Kessel bleiben. Vor dem Start
sagte Adrian zu mir, daß ich aussteigen und am Heck das Höhenruder des Leitwerks zurechtbiegen soll, damit es nicht mehr klemmt. Es wurde zuvor bei dortiger Landung durch Aufschlag auf den etwa 30 bis 40 cm hohen
festgefrorenen Schnee beschädigt. Nach Öffnen der Einstiegsklappe an der Bodenwanne stieg ich aus, ging an das hintere Ende unseres Flugzeugs und bog das Höhenruder zurecht. Währenddessen stieg ein Verwundeter bei
geöffneter Einstiegsklappe in das Flugzeug. Als ich einstieg sah er mich aufgeregt, wie um sein Leben ringend, mit dem Wunsch an, ihn im Flugzeug zu belassen, Diesen Anblick kann ich nie vergessen. Trotzdem wir
vollbeladen waren ließ ich ihn im Flugzeug und sagte dem in der Kanzel am Steuer sitzenden Flugzeugführer Adrian, der zugleich der Kommandant der Besatzung war, nichts von der zusätzlichen Anwesenheit des
Verwundeten. Bei all diesen Ereignissen und Tätigkeiten waren wir 1 1/2 Stunden auf dem Flugplatz, so daß wir um 10.45 Uhr den
Rückflug antreten konnten. Während unserer Anwesenheit sahen wir dort kein weiteres deutsches Flugzeug. Ob nach uns noch welche gelandet sind und wieviele, weiß ich nicht. Fest steht, daß Stalingradski am 23.1.1943 verloren ging und am gleichen Tag das letzte deutsche Flugzeug Stalingrad verlassen hat. Dies wurde auch bei einer Stalingradsendung im Deutschen Fernsehen, die ich sah, mitgeteilt.
Meine genannten Daten sind dokumentiert in meinen Flugbüchern, die ich noch im Besitz habe. Das Fliegende Personal mußte Flugbücher führen, in die sämtliche
Flüge und damit auch die Feindflüge eingetragen wurden. Diese Angaben wurden von den jeweiligen Dienststellen bestätigt. Zwischen den letztgenannten Landungen mußten wir noch am 22.1. nach Stalino fliegen, wo unser
Flugzeug mit Munitionsbomben beladen wurde (d.h. Infanteriemunition war in Bombenhüllen verpackt). Am gleichen Tag flogen wir ab Stalino um 16,30 Uhr in den Kessel und warfen für unsere Truppen diese Munitionsbomben
ab. Um 19,50 Uhr landeten wir wieder in Nowotscherkask. Nach der letzten Landung (23.1.43) flogen wir vom 24.bis 29.1.43 noch 7 Einsätze mit Verpflegungsbomben, die wir im Kessel abwarfen. Die letzten Einsätze flogen wir in der Nacht vom 28. zum 29. Januar. Mit unserer He 111, Z.Nr. G1+FR. Start und Landung jeweils Nowotscherkask. Am 28.1.43
Start 20.55 Uhr. Landung 23.35 Uhr, Abwurf im Kessel etwa um 22,30 Uhr Am 29.1.43 Start um 0.45 Uhr, Landung um 3.15 Uhr, Abwurf im Kessel etwa um 02.00 Uhr. Abwurf jeweils über dem südlichen Kessel der Stadt; es war der größere. Die Mitte der Stadt war in russischer Hand und im Norden war der kleinere Kessel. Wir mußten auf 3oo
m heruntergehen, damitdie Verpflegung auch wirklich im Kessel landete. lm Tiefflug nach Osten über die Wolga und der Kalmückensteppe auf Höhe gehend flogen wir in 3.500 m Höhe zu unserem Einsatzflugplatz
Nowotscherkask zurück. Der letzte Abwurf wurde noch vom Kessel aus per Funk bestätigt.Da in dem Buch „Deutsche Kampffliegerasse" zu lesen ist, daß die letzten Einsätze am 27.1.43 geflogen wurden, habe ich meine
letzten Einsätze vom 28. und 29. 1.43 mit genauen Daten vorstehend erwähnt.
Mit 81 Feindflügen war ich im Kampf um Stalingrad beteiligt. Davon waren es 59 Angriffsund Kampfeinsätze und 22 Versorgungseinsätze mit Ausfliegen von Verwundeten u. a. aus dem Kessel.
56 Jahre später, am
12.Mai 1999 flog ich zum 82. mal nach Stalingrad (jetziger Name „Wolgograd“) und zwar mit der Fluggesellschaft Condor zur Einweihung des Soldatenfriedhofs „Rossoschka" bei Stalingrad.
Am 13.5.1999.Christi Himmelfahrt", nahm ich an der Einweihung teil, der vom Deutschen Kriegsgräberbund veranstaltet wurde.
- Während meiner 4jährigen Einsatzzeit von 1940 bis 1944 hatte ich 387 Feindflüge
Davon 20 gegen Frankreich
- Außer den 81 Stalingradeinsätzen, die ich wegen der Besonderheit vorstehend etwas erläuterte, hatte ich bei der Vielzahl meiner Feindflüge mehrere lebensgefährliche
Erlebnisse. Ich war Mitglied von 4 Besatzungen. Davon wurde meine 1. Besatzung (Müller) 1941 von englischen Jägern und meine 3.Besatzung (Adrian) am 5.3.1943 von russischen Jägern tödlich abgeschossen, wobei ich
jeweils wegen Krankheit nicht dabei war und vertreten wurde. . Bei meiner 4. Besatzung (nach Adrian) „Hauptmann Schmidt" wurde im August 1943 bei einem russischen Jägerangriff der Funker, neben mir im
Flugzeug, tödlich getroffen und der Beobachter verwundet. So kam ich trotz der sehr vielen Feindflüge bei fast 4 jähriger Einsatzzeit nach dem Krieg heil nachhause.
Dezember 1999
Anlagen: = Verluste und Daten
- Daten über das Geschehen zur Schlacht von Stalingrad:
- Im August 1942 begann der Vormarsch und Kampf auf Stalingrad. Am 22.November 1942 Einkesselung der 6.Armee (rund 300.000 Soldaten ,deutsche und Verbündete
eingekesselt). Am 2.Februar 1943 Kapitulation und Ende der Kampfhandlungen.
- Deutsche Verluste gemäß Historikerangaben:
1. Während des Gesamteinsatzes ab August 1942:
300.000 traten im Sommer 1942 zum Kampf an.
145.000 sind gefallen.
45.000 Verwundete und Spezialisten wurden ausgeflogen.
110.000 kamen in Gefangenschaft.
2.Verluste deutscher Soldaten nach der Kesselbildung (It Volksbund deutscher Kriegsgräber) 195.000 befanden sich im Kessel
60.000 sind gefallen.
25.000 wurden ausgeflogen.
110.000 kamen in Gefangenschaft.
Von den 110.000 Gefangenen verstarben:
17.000 auf den Märschen in die Lager
88.000 in den Gefangenenlagern (sind 95.000 Tote. )
145.000 Gefallene und 95.000 Gefangenentote ist eine Gesamtzahl von 240.000 toten deutschen Soldaten.
Die mehrfachen Historikerangaben weichen geringfügig voneinander ab. So heißt es einmal, daß von den 110.000 Gefangenen
5.000 überlebten und ein anderes mal, daß es 6.000 waren
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